Existenzielle Gefühle des Sports
16.-17. November 2023 in Frankfurt/M.
Jahrestagung dvs-Sektion Sportphilosophie
Die Jahrestagung der Sektion Sportphilosophie greift den aktuellen „affective turn“ der Geistes- und Kulturwissenschaften auf, indem sie eine spezifische Ausprägung von Gefühlen im Sport diskutiert, die mit einem Ausdruck des britischen Philosophen Matthew Ratcliffe als „existenzielle Gefühle“ bezeichnet werden können. Gemeint ist damit eine grundlegende, präreflexive Gefühlsebene, die affektive Fundierung des In-der-Welt-Seins, oder mit dem Philosophen Jan Slaby gesprochen, eine Art „Hintergrundgefühl“.
Auf der Sektionstagung sollen mit existenziellen Gefühlen vergleichbar fundamentale Gefühle verstanden werden, die das menschliche Da- und Sosein aus den Fugen heben. Existenzielle Gefühle führen im Sinne des Philosophen Hermann Schmitz zum „Verlust der Fassung“: Die von solchen Gefühlen ergriffene Person erlebt sich selbst als fassungslos, wie das bei machtvoll ergreifenden, überwältigenden, erschütternden, gar das Personsein vernichtenden Gefühlen der Fall ist.
Existenzielle Gefühle des Sports und anderen Bewegungskulturen in diesem Sinne sind zum Beispiel
- der grenzenlose Hass fanatischer Fans auf die gegnerische Mannschaft,
- die maßlose Wut aufgrund einer vermeintlichen Fehlentscheidung des Schiedsrichters,
- die (wiederholt) lähmende Versagensangst des Athleten kurz vor dem Wettbewerb,
- die peinigende Demütigung der eigenen Fans nach einer blamablen Heimniederlage,
- die tiefe Verachtung gegenüber der überführten Dopingsünderin,
- die ohnmachtsgleiche Verzweiflung der Reiterin, wenn sie die Kontrolle über ihr Pferd verliert,
- die bodenlose Scham, die das unsportliche Kind beim Vorturnen im Sportunterricht erlebt,
- die panische Angst der Athletin in einem Sportkontext sexualisierter Gewalt, aber auch
- das überwältigende Rauschgefühl des Snowboarders bei der Abfahrt im Tiefschnee oder
- die ekstatische Freude der Spielerinnen im Moment eines sensationellen Triumphs.
Die Tagung will einerseits philosophische Konzepte diskutieren, mit denen sich solche existenziellen Gefühle analytisch fassen und durchdringen lassen. Andererseits sollen empirische Beispiele vorgestellt werden, die Aufschluss über Bedingungen, Erscheinungsformen und Folgen existenzieller Gefühle im Sport und anderen Bewegungskulturen liefern. Damit adressiert die Sektionstagung auch weitere, allen voran sozial- und geisteswissenschaftliche Disziplinen der Sportwissenschaft.
Organisation vor Ort
Prof. Dr. Robert Gugutzer
Goethe-Universität Frankfurt am Main
Institut für Sportwissenschaften
Ginnheimer Landstraße 39
60487 Frankfurt am Main
Tel.: 069/798-24529
E-Mail: gugutzer[at]sport.uni-frankfurt.de