Anthropotechniken im Sport
Tagung der dvs-Sektion Sportphilosophie
4.-6. November 2010 in Darmstadt
Versuchte man zu Beginn des letzten Jahrhunderts Fragen nach menschengerechten Maßen und Normen noch anthropometrisch zu beantworten, um etwa für spezielle sportliche Anforderungen hierfür geeignete Körperbautypen zu identifizieren, kam es schon bald zu einer Ausweitung der Ansprüche. Bereits in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurden erste Spekulationen über antizipierte Möglichkeiten biotechnischer Manipulationen an der menschlichen Erbsubstanz angestellt, die heute kaum noch utopisch klingen. Die aktuellen Technologien zur Vervollkommnung des menschlichen Körpers zielen bereits unverhohlen auf leistungsfördernde Beeinflussungen des menschlichen Erbmaterials ("Gendoping") und beschäftigen den organisierten Sport ebenso wie die nationalen und internationalen Antidopingagenturen.
Der Begriff "Anthropotechnik", der aktuell von Peter Sloterdijk ins Gespräch gebracht wurde, erlaubt es, an diese Diskussionen anzuknüpfen. Im Sinne des Autors steht der Terminus technicus für Verbesserungsstrategien überhaupt, das heißt er beschränkt sich nicht auf biotechnische Möglichkeiten und Entwicklungen, sondern schließt mentale und physische Übungsverfahren mit ein, die dazu beitragen sollen, das Leben zu steigern. Der Sport erscheint in diesem Zusammenhang als ein prominentes Übungsfeld, das durch Machbarkeitsvorstellungen und Überbietungsstrategien gekennzeichnet ist. Diese werden durch systematische Trainingsformen, spezielle Pädagogiken, Habitusformungen, Exerzitien, Askesen, Artistiken und andere Anthropotechniken bestimmt. In den Blick geraten dadurch vor allem solche Praktiken und Übungen, die sowohl im Spitzensport als auch in den post-klassischen Trendsportarten keineswegs dem Zufall überlassen bleiben. Gefragt werden soll, welche Formen der Verbesserung in unterschiedlichen athletischen Kulturen dominieren beziehungsweise welche natürlichen, technischen und diskursiven Strategien dabei jeweils zur Anwendung kommen. Zu diesem Zweck soll erörtert werden, welche materiellen Anordnungen (Dinge, Artefakte, Architekturen) und sozialen Konstellationen (Gewohnheiten, Selbstformungen, Stilbildungen) in unterschiedlichen sportbezogenen Übungsfeldern vorherrschen. Das Ziel besteht also darin, auf der Basis eines breit fundierten Übungsbegriffes, heterogene Merkmale physiologischer und handlungsbezogener Anthropotechniken im Sport herauszuarbeiten.
Das Tagungsthema bietet Anknüpfungsmöglichkeiten insbesondere für sozial- und kulturwissenschaftlich orientierte Ansätze. Es schließt strukturalistische und systemtheoretische Ansätze ebenso ein wie hermeneutische und phänomenologische Konzepte. Durch diese interdisziplinäre Öffnung wird ein reflexives Verständnis zum praktischen Übungsverhalten in sportbezogenen Kontexten angestrebt.
Beitragsanmeldungen und Exposés (ca. eine Seite) können bis zum 07.07.2010 eingereicht werden.
Kontakt
Prof. Dr. Franz Bockrath
Technische Universität Darmstadt
Institut für Sportwissenschaft
Magdalenenstraße 27
64289 Darmstadt
Tel.: (06151) 16-3104
Fax: (06151) 16-2898
eMail: bockrath[at]ifs-tud.de