Sport und Zivilgesellschaft
Jahrestagung der dvs-Sektion Sportphilosophie in Köln, 24.-26. November 2011
In der Moderne leben wir angesichts des Faktums des weltanschaulichen Pluralismus. Die normativen Maßstäbe unseres sozialen Miteinanders sind daher von uns auszuhandeln und rechtsverbindlich zu machen. Die?Menschenrechtserklärungen stiften dafür das Paradigma: Historische Errungenschaften, zu deren Durchsetzung etwa die christliche Tradition und das Naturrecht eine unverzichtbare Rolle spielten, für deren Geltung diese Traditionen aber keine Rolle spielen dürfen, da die weltanschauliche Neutralität Kernbestandteil der Menschenrechte ist. Hinzu kommt, dass ausgehandelte Normierungen nicht nach ihrer Einführung einfach feststehen, sondern gleichsam täglich umstritten bleiben und aufrechterhalten oder geändert werden müssen. Das gilt selbst noch für die deklarierten Menschenrechte, wie ein Blick auf die Folterdebatte zeigt. Als generelle Formel: Die Geltung normativer Maßstäbe ist in der Moderne nichts, was durch Bezugnahme auf gegeben Gültiges legitimiert werden könnte, sondern stellt sich performativ her. "Wir" sind es, die diese Geltung miteinander aushandeln und, ggf. rechtsverbindlich, festlegen. In diesem Sinne ist die Moderne die Konstitution der Zivilgesellschaft.
Nun ist, selbstverständlich, auch dieses "Wir" nichts Gegebenes, nichts einfach
Feststehendes, nichts Homogenes. Im Gegenteil. Ungleiche Startchancen, Asymmetrie in Machtbeziehungen, antagonistische ökonomische Positionen, real praktizierte Herrschaftstechniken - das und einiges mehr ist nicht einfach per Dekret abgeschafft. Der Sport spielt hier, sowohl in der Konstituierung jenes "Wir" als auch in der performativen Bildung normativer Geltung eine vielfältige Rolle. Es kann dabei zunächst offen bleiben, ob er diese Rolle tatsächlich oder bloß zugeschrieben spielt, denn auch als bloß zugeschriebene spielt er dann eine tatsächliche Rolle. Ein sportlicher Wettkampf inszeniert das bürgerliche Versprechen der gleichen Startchancen, damit dann, auf dieser Basis, die individuelle Leistung entscheiden kann. Sport gilt als Ort der Geselligkeit, mithin als eine Art von lokaler, normativ relevanter Vergemeinschaftung. Nicht zuletzt hat Coubertin den Olympismus als Religion propagiert, also, so kann man das vielleicht verstehen, als Ort der gemeinsamen Selbstvergewisserung
unserer normativen Maßstäbe.
Die Tagung will diese Rollen des Sports in und für die Zivilgesellschaft näher
ausloten. Thematische Zuspitzungen könnten beispielsweise sein: Sport unter den Bedingungen von Biomacht - Freiheit und Gleichheit, aber wo bleibt die Geschwisterlichkeit (im Sport)? - Sport und Zivilreligion - Genossenschaft und Sportskameradentum - Vereinssport und neue Bewegungskulturen.
Als Referenten konnten gewonnen werden:
- Prof. Dr. Hans-Peter Krüger (Potsdam),
- Jens Weinreich (Berlin),
- Prof. Dr. Thomas Bedorf (Hagen),
- Dr. Rudolf Oswald,
- Prof. Dr. Martin Gessmann (Heidelberg),
- Prof. Dr. Robert Prohl (Frankfurt/M.),
- Prof. Dr. Thomas Alkemeyer (Oldenburg),
- Prof. Dr. Sandra Günter (Bern/Schweiz),
- Prof. Dr. Volker Rittner (Köln),
- Dr. Fabio Frosini (Urbino/Italien),
- Prof. Dr. Dr. h. c. Armin Burkhardt (Magdeburg),
- Holger Ihle & Jörg-Uwe Nieland (Köln),
- Prof. Dr. Jürgen Mittag (Köln).
Die Tagung wird ausgerichtet von der Abteilung Philosophie (Leitung: Prof. Dr. Volker Schürmann) des Instituts für Pädagogik und Philosophie der Deutschen? Sporthochschule Köln.
Anmeldungen ab sofort: Anmeldeformular
Prof. Dr. Volker Schürmann
DSHS Köln
Institut für Pädagogik und Philosophie,
Am Sportpark Müngersdorf 6
50933 Köln
E-Mail: v.schuermann[at]dshs-koeln.de