Er gehört zu den drei ältesten noch lebenden Gründungsmitgliedern der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) und er ist einer der ältesten Sportwissenschaftler in Deutschland überhaupt: Der renommierte Sportpädagoge Prof. Dieter Brodtmann (Leibniz Universität Hannover) vollendet am Sonntag, dem 7. April 2024, in Hannover sein 90. Lebensjahr. Präsidium der dvs und Sprecher*innenrat der dvs-Sektion Sportpädagogik beglückwünschen Prof. Dieter Brodtmann sehr herzlich, der auch schon bei der Veranstaltung zur Gründung der dvs-Sektion Sportpädagogik 1987 an der Universität Bielefeld unter der Leitung des damaligen dvs-Präsidenten Prof. Dr. Dietrich Kurz (1942–2023) dabei war.
Dieter Brodtmann gehört zu jener (älteren) Generation in der Sportwissenschaft, der das Verdienst zukommt, als Gründungsväter (zusammen mit wenigen Gründungsmüttern) der modernen Sportwissenschaft in der Bundesrepublik Deutschland insbesondere seit den 1970er Jahren zur Anerkennung und Etablierung als Wissenschaftsdisziplin und Studienfach mit der neuen Bezeichnung Sport bzw. Sportwissenschaft wesentlich beigetragen zu haben.
Für Dieter Brodtmann gilt dies insbesondere mit Blick auf das Fach an den damaligen Pädagogischen Hochschulen (PH), wo er auch als Interessenvertreter der „FLPH“ (der „Fachgruppe Leibeserziehung an Pädagogischen Hochschulen“) wissenschaftspolitisch sehr engagiert war. Als amtierendes Mitglied des Vorstandes der „FLPH“ hatte sich Brodtmann seinerzeit auch für die Gründung der dvs starkgemacht, zu der es 1976 in München mit seinem Hannoveraner Kollegen Prof. Dr. Andreas H. Trebels (1937–2021) als ersten dvs-Präsidenten kam.
Dieter Brodtmann wurde in Hannover geboren. Seine Berufsbiografie „spielt“ mit einem kurzen Ausflug nach Hamburg ausschließlich in Niedersachsen und hier langjährig wiederum in Hannover. Nach dem Abitur 1954 studierte Dieter Brodtmann für das Lehramt an Volksschulen an der PH Göttingen – hier bereits mit dem Schwerpunktfach Leibeserziehung. Von 1957 bis 1962 unterrichtete Brodtmann an Volksschulen in Northeim und Göttingen, bevor er von 1962 bis 1965 eine Stelle als Pädagogischer Assistent im Fach Leibeserziehung an der PH Göttingen antrat und daneben ein Zweitstudium in den Fächern Pädagogik, Soziologie und Völkerkunde an der Universität Göttingen aufnahm und 1968 mit dem Magisterexamen abschloss.
Von 1965 bis 1968 hatte er eine Stelle als Geschäftsführer der Konferenz der Pädagogischen Hochschulen (PH) in der Bundesrepublik Deutschland und des Senats der PHs Niedersachsen in Hannover inne. Im Jahre 1968 wechselte er als Praktikumsleiter in das Fach Sport an die PH Göttingen. Von 1969 bis 1972 war Dieter Brodtmann Dozent für Didaktik der Leibeserziehung im Fachbereich Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg. Hier trat er die Nachfolge von Prof. Konrad Paschen (1909–1992) an, der damals vorzeitig in den Ruhestand gegangen war und auf den der (bis heute verbreitete … und immer noch berechtigte?) Begriff der „Schulsportmisere“ zurückgeht.
Im Jahre 1972 nahm Dieter Brodtmann einen Ruf als Professor auf den Lehrstuhl für Sporterziehung an der Abteilung Hannover der PH Niedersachsen an, die im Wintersemester 1978/79 mit Brodtmann als Dekan in die Technische Universität Hannover (heute Leibniz Universität) zusammengeführt wurde. Hier lehrte er bis zu seiner Emeritierung 2001 am Institut für Sportwissenschaft (im Standort Bismarckstraße); seine ursprüngliche Professur für Sportdidaktik wurde danach nicht wiederbesetzt.
Dieter Brodtmann war Mitbegründer der „Zeitschrift für Sportpädagogik“, aus der 1979 das Fachmagazin „sportpädagogik“ hervorging. Insgesamt 23 Jahre war er hier als zuletzt dienstlängster Mitherausgeber und Autor tätig. Er hat dadurch nicht nur speziell die Zeitschrift „sportpädagogik“ mitgeprägt, sondern auch dem Denken und Handeln in sportpädagogischen Kontexten vor allem im Schulsport über Jahrzehnte eine zentrale Orientierung gegeben: Dieter Brodtmann hat der Zeitschrift „federführend“ in der Blütezeit seine „pädagogische Handschrift“ aufgetragen – damals noch im (alten) Verlagsgebäude in Seelze/Velber bei Hannover, wo die Herausgeberrunden am (berühmten) „ovalen Tisch“ vorzugsweise ganztägig des Freitags stattfanden zusammen mit der Professorin Claudia Kugelmann und den Professoren Knut Dietrich, Andreas H. Trebels, Eike Jost, Gerhard Landau, Bart Crum, Jürgen Funke-Wieneke, Karlheinz Scherler, Wolf-Dietrich Miethling, Eckart Balz und anderen.
Dieter Brodtmann gilt in Fachkreisen bis heute als eine sportpädagogische Integrationsfigur: Seine fachdidaktische Sicht war aus einer engen Theorie-Praxis-Verknüpfung gewachsen; er argumentierte stets offensiv und transparent, aber ebenso anspruchsvoll wie kompromissbereit, wenn er vom besseren Argument überzeugt war. Ihn interessierten auch schon früh überfachliche Themen (z.B. Problemorientierung, Koedukation, Gesundheitsförderung), die er gewinnbringend auf den Schulsport bzw. Sportunterricht zu projizieren wusste.
In diesem Zusammenhang verwundert es nicht, dass Brodtmanns Monografie „Sportunterricht und Schulsport. Ausgewählte Themen der Sportdidaktik“ aus dem Jahre 1979 bei Generation von Sportstudierenden Pflichtlektüre in Lehrveranstaltungen der Sportpädagogik war und seitdem als Klassiker gilt. Dabei hatte Brodtmann ebenso frühzeitig u.a. die große Bedeutung des sog. außerunterrichtlichen Schulsports für das Fach erkannt und sich auch mit der didaktischen Diskussion von Sportunterricht und Körpererziehung in der DDR beschäftigt. Folgerichtig erhielt er im Jahre 1990 von der ersten damals frei gewählten Regierung der DDR eine Einladung nach Ostberlin zum „DDR-Schulsportgipfel“, um über die mögliche „Angleichung“ der Schulsport-Systeme zu referieren und zu diskutieren.
Der Sportpädagoge Dieter Brodtmann verfügt selbst über eine vielseitige Sport- und Bewegungsbiografie mit einem deutlichen Schwerpunkt in der Leichtathletik, wo er früh als 16-jähriger zusammen mit einem 18-jährigen Freund im Jahre 1951 die Leichtathletikabteilung beim MTV Elze im Landkreis Hildesheim gründete. Auch als Trainer und Lehrwart betätigte er sich ehrenamtlich auf Kreis- und Bezirksebene, bevor sich als Senior eine Karriere als Volksläufer anschloss, die er mit 49 Jahren als Marathonläufer mit der dabei erzielten Bestzeit von respektablen 3:06:07 Std. krönte.
An seinem Ehrentag bleibt der Jubilar mit Ehefrau Lotte und der Familie mit den beiden Kindern und zwölf Enkeln ebenso in Bewegung: Herzliche Glückwünsche zum 90., lieber Herr Brodtmann, und weiterhin viel Gesundheit, Lebensfreude und Schaffenskraft für die kommenden Jahre auf dem Weg zum 95.!
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
(dvs-Geschäftsführer von 1985 bis 1989 während der Präsidentschaft von Prof. Dr. Dietrich Kurz und Leiter des Arbeitsbereichs Sport und Erziehung am Institut für Sportwissenschaft der Leibniz Universität Hannover von 2004 bis 2023 in der Nachfolge an Prof. Dr. Andreas H. Trebels)
Ein ausführliches Porträt von Prof. Dieter Brodtmann befindet sich auch in dem Sammelband: Gelebte Sportpädagogik (Hrsg. von Eckart Balz & Detlef Kuhlmann), Hamburg 2023: Czwalina, gemeinsam verfasst von den beiden Herausgebern.