Der Bielefelder Sportpädagoge Prof. Dr. Dietrich Kurz, langjähriger Vorsitzende des Kuratoriums zur Verleihung des Wissenschaftspreises des Deutschen Olympischen Sportbundes, gilt als einer der renommiertesten Sportpädagogen der Gegenwart im deutschsprachigen Raum. Dietrich Kurz vollendet Mitte Oktober dieses Jahres sein 75. Lebensjahr. Aus diesem Anlass ist jetzt ein Buch mit dem Titel „Pädagogische Fragen zum Sport. Ausgewählte Beiträge“ von ihm erschienen. Das erste Exemplar überreichte Verleger Christian Becker (arete Hildesheim) dem Autor persönlich zum Abschluss der 30. Jahrestagung der Sektion Sportpädagogik der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) Mitte Juni in Hannover: Das dvs-Ehrenmitglied Kurz war von 1985 bis 1989 Präsident der dvs und ist einer Gründungsväter der dvs-Sektion Sportpädagogik.
Kurz' Buch enthält eine Auswahl von wichtigen Beiträgen seiner akademischen Lebensleitung auf dem Gebiet der Sportwissenschaft: Fragen nach einer pädagogischen Grundlegung und speziell nach dem Sinn des Sport bilden seine zentralen Arbeitsschwerpunkte, denen er von 1979 bis zu seiner Emeritierung 2009 an der Universität Bielefeld als Leiter des Arbeitsbereiches „Sportunterricht und Erziehung“ in der Abteilung Sportwissenschaft der Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft nachgegangen ist. Vier sog. Werklinien (Sinnfindung, Kinder- und Jugendsport, Schulsport und Wissenschaftspolitik) bilden das inhaltliche Gerüst des Bandes, den seine beiden ehemaligen Mitarbeiter und erste Doktoranden an der Universität Bielefeld, Prof. Dr. Eckart Balz (jetzt Bergische Universität Wuppertal) und Prof. Detlef Kuhlmann (jetzt Leibniz Universität Hannover), redaktionell betreut haben.
Unter den 15 Beiträgen, die aus einem umfangreichen Schriftenverzeichnis des Autors mit über 200 Veröffentlichungen ausgewählt wurden, befindet sich auch jener Aufsatz mit dem Titel „Vom Sinn des Sports“, der auf einen bis heute viel beachteten Beitrag von Dietrich Kurz beim Kongress „Menschen im Sport 2000“ des damaligen Deutschen Sportbundes in Berlin aus dem Jahre 1987 zurückgeht und der erstmals in einem Materialband zum Kongress („Die Zukunft des Sports“) publiziert wurde. Kurz geht im Beitrag darauf ein, dass es nicht den einen Sinn des Sports gibt, sondern dass der Sport von den Menschen vielfältig mit Sinn belegt werden kann. Daraufhin skizziert Kurz sechs sogenannte Sinnbezirke des Sports mit fließenden Übergängen, die schlagwortartig im Beitrag u.a. so bezeichnet werden: Gesundheit – Eindruck – Ausdruck – Leistung – Spannung – Miteinander.
Dietrich Kurz hat rund drei Jahrzehnte die Lehrplanentwicklung im Schulfach Sport wesentlich mitbestimmt und die pädagogische Gestaltung des Sportunterrichts bzw. des Schulsports in Deutschland (nicht nur im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen) nachhaltig beeinflusst. Die pädagogischen Perspektiven und das damit verbundene Prinzip der Mehrperspektivität des Sportunterrichts gelten als seine Markenzeichen. Vier Beiträge im Band geben daher Antworten auf die als Kapitelüberschrift gestellte Frage: „Wie sollte Sport in der Schule gestaltet werden?“ Dietrich Kurz hat sich aber auch immer wieder mit der Frage beschäftigt, wie der Sport außerhalb der Schule die Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung fördern kann: Im Beitrag „Sportengagements Jugendlicher in Westdeutschland werden beispielsweise differenzierte Ergebnisse aus Jugendsport-Studien ausgewertet, darunter auch jene, an der Dietrich Kurz selbst federführend mitgewirkt hatte. Der Aufsatz „Leichtathletik – ein Kinderspiel?“ beschäftigt sich auch mit den Herausforderungen, die sich durch die Zwänge des Wettkampfsystems ergeben, wenn man längerfristig Kinder und Jugendliche binden will.
Kurz hat stets auch politische Verantwortung für die junge Wissenschaftsdisziplin Sportwissenschaft, respektive für seine Profession als Sportpädagoge übernommen – nicht nur in seinen gewählten ehrenamtlichen Funktionen, sondern auch mit markanten Positionen als Mahner und Gestalter für di Zukunftsfähigkeit des Faches: „Wohin treibt die Sportwissenschaft?“ lautete schon in einem wegweisenden Beitrag aus dem Jahre 1990 seine Frage, bei der er u.a. vier Gefahren skizziert: den Sog einseitiger Auffassung von Forschung, den Zerfall der Diskussionsgemeinschaft, den Verlust der Glaubwürdigkeit als praxisnahe Wissenschaft und die Vernachlässigung des Nachwuchses. Alle heute aktiven Sportwissenschaftlerinnen und Sportwissenschaftler müssen sich nun fragen, ob diese Gefahren längst beseitig worden sind oder ob sie heute sogar aktueller denn je zu Tage treten ...
Dietrich Kurz: Pädagogische Fragen zum Sport. Ausgewählte Beiträge. Hildesheim 2017:
arete. 260 Seiten; 19,95 Euro
Text: Detlef Kuhlmann