Spitzensportforschung an die Universitäten
Vortrag des dvs-Präsidenten bei der Anhörung des Sportausschusses im Deutschen Bundestag am 25. April 2007

Bei der 30. Sitzung des Sportausschusses im Deutschen Bundestag am 25. April 2007 in Berlin war auch der Präsident der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) eingeladen, einen Bericht zum Thema "Vernetzung der Arbeit im Bereich der Sportwissenschaften und im Bereich der Sportmedizin" abzugeben. Die Abgeordneten wollten sich mit dieser Anhörung ein Bild über die Entwicklung des "Wissenschaftlichen Verbundsystems Leistungssport" (WVL) machen. Neben der dvs waren dazu auch Vertreter des Bundesministeriums des Innern (BMI), des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp), des Instituts für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT), des Instituts für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES), des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) sowie der Deutschen Sporthochschule Köln bzw. des dort angesiedelten Deutschen Forschungszentrums für Leistungssport ("Momentum") geladen. Als einzige berichterstattende Institution war die dvs bislang nicht in die Entwicklung und die Gremien des WVL eingebunden.
dvs-Präsident Prof. Dr. Bernd Strauß informierte die Ausschussmitglieder kurz über die Arbeit der dvs und machte deutlich, dass die dvs die Organisation in Deutschland ist, die die Sportwissenschaftlerinnen und Sportwissenschaftler vertritt. Strauß ging insbesondere auf die Bedingungen der Produktion wissenschaftlicher Spitzenleistungen ein, wie beispielsweise auf den nationalen und internationalen Wettbewerb, auf die Profilbildung und die notwendige externe Finanzierung über Drittmittel. Ein wesentlicher Faktor, so Strauß, sei die permanente Evaluation von Leistungsprozessen und Leistungsprodukten; dies sei durch das Publikationssystem der Wissenschaft (peer-reviewed Publikationen in strengen wissenschaftlichen Zeitschriften mit impact) aber auch durch externe Wissenschaftsevaluationen gegeben.
Als Konsequenzen dieser Analyse stellte dvs-Präsident Bernd Strauß heraus, dass Spitzensportforschung an die Universitäten angebunden sein sollte, da sowohl das System des Spitzensports als auch das Wissenschaftssystem auf Wettbewerb zur Erreichung von Exzellenz angelegt sind. "Um im Spitzensport international wettbewerbsfähig zu sein, sind wir zwingend auf Spitzenleistungen aus der Sportwissenschaft, die international konkurrenzfähig sein müssen, angewiesen", so Strauß. "Dazu gilt es, alle Ressourcen und Leistungspotenziale in der Sportwissenschaft zu identifizieren und zu fördern."
Der dvs-Präsident warnte davor, ein Wissenschaftliches Verbundsystem Leistungssport zu etablieren, das ein "Einschwingen" der Systeme in die jeweilige Mittelmäßigkeit ermöglicht. Er machte seine Zweifel deutlich, dass die jetzige Konstruktion des WVL sportwissenschaftliche Exzellenz und damit eine Stärkung des Spitzensports zur Folge haben würde. Schon deswegen müsste über die kurz-, mittel- und langfristige Förderung der Wissensproduktion an den Universitäten und an den Bundesinstitutionen über eine klare Wettbewerbsorientierung nachgedacht werden. Dieses könnte über entsprechende Profilbildung an den Hochschulen und die Einrichtung einiger universitärer Exzellenzzentren geschehen, aber es muss darüber hinaus auch kontinuierlich eine Stimulation der Spitzenforschung über Ausschreibungen in der Fläche geben, um den Wettbewerb zu stimulieren. Über Wettbewerbsverfahren und Ausschreibungen (Stichwort Exzellenzinitiative) könnten die passenden Strukturen und Forschungsschwerpunkte an den Universitäten, die ein Kompetenzzentrum bilden, eingerichtet werden. Dies macht auch die finanzielle Beteiligung von Ländern und Universitäten attraktiver und führt letztlich zu den gewünschten vernetzten Strukturen. Damit könnten dann auch die viel zu geringen Bundesmittel, die über das BISp als Forschungsförderung an die Universitäten gelangen, deutlich aufgestockt werden. Für die Rekrutierung des notwendigen Personals für exzellente sportwissenschaftliche Forschung böten außerdem die Universitäten mit ihren konsekutiven Strukturen über spezielle Masterprogramme erhebliche Chancen. Auch hierüber muss sich das WVL Gedanken machen.
Dvs-Präsident Strauß setzte sich abschließend für den Erhalt des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp) ein, empfahl aber, die kürzlich geäußerte Kritik des Wissenschaftsrats, dass das BISp seine zentrale Aufgabe, sportwissenschaftliche Forschung zweckgerichtet zu fördern, nicht zufrieden stellend wahrnimmt (siehe dazu die Stellungnahme des Wissenschaftsrats), ernst zu nehmen. "Diese Kritikpunkte müssen konsequent behoben werden", so Strauß. "Wenn dies aber gegeben ist, muss das BISp in diesem Prozess des Wettbewerbs um Kompetenzzentren und um die Vergabe der Forschungsmittel (auch in der Fläche) eine herausgehobene und steuernde Funktion haben."
Damit dies gelingen kann, forderte der dvs-Präsident eine Doppelspitze für das BISp: Neben einer sportpolitisch angebundenen hauptamtlichen Leitung (wie sie bislang gegeben ist) sollte eine hauptamtliche wissenschaftlichen Leitung des BISp durch Hochschullehrer eingerichtet werden, um die Anbindung an die Universitäten zu gewährleisten und auszubauen. Eine weitere wesentliche Aufgabe des BISp muss die Initiierung und Koordinierung von kohärenten Forschungsprogrammen, u.a. mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und anderen Forschungsförderinstitutionen sein, damit die Mittel zur Spitzensportforschung erheblich gesteigert werden können.
Ziel all dieser Vorschläge ist die klare und nachhaltige Förderung des Spitzensports durch exzellente sportwissenschaftliche Leistungen. Dabei gilt es neue Wege zu gehen und nicht die alten Strukturen fortzuschreiben. Einem Zentralinstitut für Sportwissenschaft erteilte der dvs-Präsident damit eine klare Absage und forderte die Schaffung von einigen Kompetenzzentren, die an die betreffenden Universitäten nach einem Wettbewerbsverfahren angebunden werden sollten.
Die Präsentation des dvs-Präsidenten zur Anhörung finden Sie hier (PDF).
Weitere Informationen bei:

Prof. Dr. Bernd Strauß
Präsident der dvs
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Institut für Sportwissenschaft
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48149 Münster
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