In Gedenken
Prof. Bertold Jonas
Am 19. September 2011 ist Prof. Dr. Jonas im Alter von 89 Jahren in Bremen verstorben. Prof. Jonas war dvs-Mitglied der ersten Stunde und hielt der dvs seine Treue bis zum heutigen Tag. Die dvs verlieh ihm am 30-jährigen Jubiläum der dvs die Goldene Ehrennadel (27.06.2006).
Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen.
Erinnerungen an Bertold Jonas
Obwohl Bertold Jonas einer Generation von Sportwissenschaftlern angehörte, die bereits vor meiner Beschäftigung in und mit unserem Fach in den Ruhestand gegangen waren, so hatte ich doch das Glück, ihn persönlich kennen zu lernen. Er wirkte in einer Zeit, in denen die Einrichtungen unseres Faches noch Institute für Leibesübungen hießen und wissenschaftliche Qualifikationen nur in benachbarten (Mutter-)Disziplinen erworben werden konnten. Für viele Kolleginnen und Kollegen war damals das sport- und verbandspolitische Engagement wichtiger als heute, aber die meisten haben leider nur noch selten noch Kontakt zur dvs gesucht. Bertold Jonas zählte nicht dazu.
So traf ich ihn 2006 anlässlich der Feier zum 30-jährigen Geburtstag der dvs in München. Im Hofbräuhaus, dem Ort der Gründung der dvs am Vorabend des ADL-Kongresses 1976, versammelten sich damals an die 150 Gründungsmitglieder und andere Aktive aus der dvs, um in einer launigen Veranstaltung Vergangenes Revue passieren zu lassen. Bertold Jonas war eigens aus Bremen angereist und war mittendrin in den Gesprächen mit Weggefährten, aber auch mit jüngeren Kollegen und Kolleginnen. Auch wir kamen ins Gespräch und er ließ mich wissen, wie wichtig er solche Anlässe der Erinnerung an die Ursprünge und die Entwicklung unserer Disziplin sowie ihrer Fachgesellschaft fand. Er selbst hatte daran in den 1970er Jahren als Vorsitzender des Ausschusses Deutscher Leibeserzieher (ADL) und als aktives Mitglied der Fachgruppe Leibeserziehung an Pädagogischen Hochschulen (FLPH), der zentralen Vorläuferorganisation der dvs, großen Anteil. Er war Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie und der dvs.
Unsere zweite Begegnung fand erst kürzlich, im Mai 2011, statt. Im Rahmen meiner Forschungsarbeit durfte ich ein längeres Gespräch mit ihm über die Vorgeschichte und die Gründungszeit der dvs führen. Wir verabredeten uns per Telefon und ich besuchte ihn in seinem Wohnapartment in einem Bremer Seniorenheim, wo er mich zur verabredeten Zeit in der Eingangshalle in Empfang nahm. Er war nicht mehr gut zu Fuß, aber er war sehr interessiert an den Fragen, die wir besprachen, und engagiert in seinen Antworten. Es war eine herzliche, sehr gastfreundliche Atmosphäre, in der er mir Aktennotizen vorlas, die Jahre seines beruflichen Wirkens noch einmal in Erzählungen lebendig werden ließ und mir so einen oftmals (auch für ihn) bewegenden Einblick in seine Biografie gab.
Aufgewachsen in einem Lehrerelternhaus in einem Dorf in Westpommern begegnete Bertold Jonas früh der praktischen Schulpädagogik. Nach den Kriegsjahren begann er ein Studium an der PH Braunschweig (ein Wechsel an die Universität Hamburg wurde ihm versagt) und arbeitete anschließend als Lehrer, unterbrochen von einer einjährigen Ausbildung an der Sporthochschule Köln bei Carl Diem und Hermann Ohnesorge. In Braunschweig sammelte er erste Erfahrungen in der Zusammenarbeit von Schule und Verein (die er später in Ämtern beim DSB und im LSB Bremen hilfreich einsetzen konnte). Eine Abordnung als Assistent für Schulpädagogik an die Pädagogischen Hochschulen in Braunschweig und Göttingen verband er mit einem Zweitstudium der Psychologie, was ihn nach dem Diplomabschluss an die PH Bremen führte, wo er ab 1962 eine Dozentur für Leibeserziehung bekleidete. An der Gründung der Universität Bremen, die als Reformuniversität auch mit ihrem Bremer Modell der Sportlehrerausbildung für Aufsehen sorgte, war er maßgeblich beteiligt. An der Bremer Universität wirkte er dann als Professor viele Jahre bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1990. Weitere interessante Details seines Lebensweges und zur Entwicklung der Sportwissenschaft hat Bertold Jonas in seinem Beitrag zum Band 100 der dvs-Schriftenreihe („Sportwissenschaft in Lebensbildern“) sehr eindrucksvoll beschrieben.
Bertold Jonas hat in seinem wissenschaftlichen Werdegang und seinem verbandspolitischen Wirken den Weg der Verständigung zwischen divergierenden Interessen gesucht. Wo andere machtpolitische Spiele spielten, suchte er den Dialog. Er hat die freundliche Kommunikation gepflegt, sachbezogen und zielgerichtet diskutiert und dadurch sehr viel erreicht – für den Sport und die Sportwissenschaft in Bremen und auch für das Zustandekommen unserer Fachgesellschaft. Es ist sehr schade, dass er nicht mehr bei uns ist.
Bertold Jonas ist am 19. September 2011 im Alter von 89 Jahren in Bremen verstorben.
Frederik Borkenhagen
Heidelberg
Nachruf zum Tod von Professor Gerhard Hochmuth
Am 14. Juli 2011 verstarb Prof. em. Dr.-Ing. et paed. habil. Gerhard Hochmuth im Alter von 83 Jahren in Leipzig. Die nationale und internationale Fachwelt trauert um einen Pionier der Sportbiomechanik.
In den sechziger Jahren stellte er in Anlehnung an mechanische Gesetzmäßigkeiten die ersten biomechanischen Prinzipien auf, die als grundlegende Handlungsanleitungen für die Ausführung und Beurteilung von sportlichen Bewegungen seither in zum Teil modifizierter Form fester Bestandteil der Ausbildungsinhalte in der Sportwissenschaft sind.
Professor Hochmuth hat sich um die Integration naturwissenschaftlicher Methoden in Lehre und Forschung der Sportwissenschaft verdient gemacht. Sein 1967 erschienenes Lehrbuch „Biomechanik sportlicher Bewegungen“ gab es in insgesamt fünf Auflagen – außerdem in englischen, spanischen, japanischen und arabischen Lizenzausgaben. 1987 erfuhr sein wissenschaftliches Lebenswerk eine ganz besondere Würdigung. Von der „Internationalen Gesellschaft der Biomechanik im Sport“ wurde Professor Hochmuth mit dem Geoffrey-Dyson-Lecture- Preis geehrt. Im Jahr 2004 ernannte ihn der Skiweltverband Fis auf seinem Kongress zum Ehrenmitglied.
Professor Hochmuth hat mit seinen Erfahrungen als ehemaliger Skispringer und seinem biomechanischem Know-how maßgeblich zur Entwicklung der heute standardmäßig eingesetzten videobasierten Weitenmessung im Skispringen beigetragen. Dieses objektive Verfahren revolutionierte die Leistungsbewertung im Skispringen Anfang der 1990er Jahre. Gerhard Hochmuth war Mitglied des Sprungkomitees der FIS und viele Jahre Vorsitzender des Subkomitees Regeln und Kontrolle im Sprungkomitee sowie bis zuletzt Technical Expert Jumping und Berater.
Mit Professor Gerhard Hochmuth verlieren wir einen über die Grenzen Deutschlands bekannten Hochschullehrer, der durch seine wissenschaftlichen Pioniertaten national und international hohe Anerkennung geniest.
Prof. Dr. Veit Wank
Sprecher der DVS-Sektion Biomechanik