Er war von 1995 bis 1999 der sechste Präsident der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) und ist heute der älteste noch lebende aus der Anfangszeit der dvs: Der langjährige Bayreuther Sportwissenschaftler Prof. Dr. Klaus Zieschang vollendet am Donnerstag, dem 3. Oktober 2024, an seinem Wohnort in München das 85. Lebensjahr.
Im Gespräch auf die Frage, was sich denn bei ihm zwischen dem 80. Lebensjahr bis zum jetzt bevorstehenden 85. Geburtstag geändert habe, antwortet der Jubilar spontan, aber voller Überzeugung: „Eigentlich nichts! Ich beherzige weiterhin die Leitprinzipien mit den bekannten Erkenntnissen aus der Sportwissenschaft und genieße ein altersangemessenes Leben mit Bewegung“, verrät Klaus Zieschang, gerade zurückgekehrt vom Golfspiel, das er mehrmals pro Woche ausübt. Nichts geändert hat sich aber auch in der zurückliegenden Berufsbiografie von Klaus Zieschang: Schon anlässlich des 80. Geburtstages würdige Prof. Dr. Ansgar Schwirtz (TU München), amtierender Präsident der dvs, den früheren Amtsinhaber als „eine herausragende Persönlichkeit mit hohen Verdiensten für die weitere Etablierung der Sportwissenschaft in Bayern und in ganz Deutschland“ und fügt jetzt hinzu: „Ich gratuliere Klaus Zieschang im Namen des dvs-Präsidiums ganz herzlich zu seinem 85. Geburtstag, wünsche ihm Gesundheit und alles Gute für die nächsten Jahre. Wir würden uns sehr freuen, Klaus Zieschang beim 50. Geburtstag der dvs im Oktober 2026 als Ehrengast begrüßen zu dürfen“.
Klaus Zieschang verbrachte seine Jugendjahre in Dresden und in Sulzbach-Rosenberg (Oberpfalz), wo er 1960 das Abitur ablegte. Danach studierte er bis 1965 an der Universität Würzburg die Fächer Germanistik, Sport, Pädagogik und Psychologie mit dem Abschluss Lehramt an Gymnasien. Anschließend war er am dortigen Institut für Leibesübungen als Hochschul-Dozent tätig. Im Jahre 1974 schloss er seine Dissertation mit dem Titel „Vom Schützenfest zum Turnfest“ (erschienen in der „grünen“ Reihe im Verlag Czwalina in Hamburg) mit dem Prädikat „summa cum laude“ ab.
Der Jubilar wurde 1975 mit dem Aufbau und der Leitung des an der Universität Bayreuth neu entstandenen Studienganges Sport (für Lehramt) und dem allgemeinen Hochschulsport beauftragt. Im Jahre 1979 wurde er auf den Lehrstuhl „Sportwissenschaft I“ berufen, den er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2005 innehatte. Dort errichtete er federführend 1985 den bundesweit ersten Diplomstudiengang Sportökonomie, der sich durch seine interdisziplinäre Struktur (Sportwissenschaft, Wirtschaftswissenschaften und Recht) bis heute als ein wegweisendes Erfolgsmodell erwiesen hat. Bereits im Jahre 1983 hatte Zieschang in Bayreuth das Zusatzstudium „Gesundheit und Fitness“ und 1981 den Aufbaustudiengang „Sportrecht und Sportverwaltung“ konzipiert.
Seit Anfang der 1980er Jahre war Klaus Zieschang mehrfach Geschäftsführender Direktor des Bayreuther Instituts für Sportwissenschaft und ferner Dekan der Kulturwissenschaftlichen Fakultät und nach der Wende mit der Neuausrichtung der Sportwissenschaft an der TU Chemnitz befasst. International engagierte er sich als Mitbegründer der European Association for Sport Management, die ihn 2011 zum Ehrenmitglied ernannt hat.
Während seiner Amtszeit als Präsident der dvs hat Klaus Zieschang wichtige wissenschaftspolitische Entwicklungen für das Fach angestoßen und begleitet; dabei sei seine Initiative zur Förderung des sportwissenschaftlichen Nachwuchses besonders herausgestellt. Von Zieschang stammt auch das Zitat: „Der Sport ist populär, die Sportwissenschaft ist es nicht“ – erstmals vor großem Publikum geäußert von ihm 1999 bei der Eröffnung des 14. dvs-Hochschultages in Heidelberg: Hat sich daran inzwischen etwas grundlegend geändert?
Klaus Zieschang hat bei seinen Forschungsarbeiten stets versucht, sportwissenschaftliche Erkenntnisse in einen Transfer- bzw. Anwendungsbezug für den Sport zu stellen. Seine lange und vielschichtige Publikationsliste (u.a. mit Büchern zur Wettkampfvorbereitung und zum Coaching, zu Trainingsmethoden im Gesundheits- und Fitnesssport sowie zu Sportökonomie und zum Sporttourismus) gibt ein reichhaltiges Zeugnis davon ab.
In der späten Phase seines beruflichen Schaffens hat sich Klaus Zieschang auch mit der neueren Geschichte der Sportwissenschaft befasst: Der von ihm herausgegebene Band 100 (Hamburg 1999: Czwalina) der „gelben“ Reihe mit „Schriften der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft“ zeichnet die „Sportwissenschaft in Lebensbildern. Von den Anfängen bis zur Gegenwart aus der Perspektive von Zeitzeugen“ nach. Hier kommen u.a. Persönlichkeiten aus der Gründungsgeneration der modernen Sportwissenschaft in Deutschland wie der Karlsruher Erich Beyer (1911-2012), der Kölner Wildor Hollmann (1925-2021), Annemarie Seybold (1920-2010) aus Nürnberg, Hermann Rieder (1928-2009) aus Heidelberg, der Frankfurter Peter Röthig (1928-2018) und der Leipziger Kurt Titel (1920-2016) zu Wort kommen.
Klaus Zieschang wurde für sein großes sportwissenschaftliches Schaffen mehrfach ausgezeichnet: u.a. 2001 mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland und 2003 mit dem Sportpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten für „Innovation im Sport“. Die dvs hat Klaus Zieschang im Jahre 2005 die Goldene Ehrennadel verliehen.
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann