Prof. Dr. Dr. h.c. Herbert Haag ist am 9. März 2025 im Alter von 88 Jahren verstorben. Diese Nachricht hat uns jetzt von seiner Familie in einer Traueranzeige erreicht. Der Sportwissenschaftler Herbert Haag war Gründungsmitglied der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) und blieb der dvs auch nach seiner Emeritierung an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel weiterhin aktiv verbunden. Die Sportwissenschaft verliert mit Herbert Haag einen vielseitig engagierten Kollegen „aus der ersten Generation“.
Der in München geborene und in Wangen im Allgäu aufgewachsene Sportpädagoge war von 1974 bis zu seiner Emeritierung 2002 als Professor und Direktor am Institut für Sport und Sportwissenschaften (heute Institut für Sportwissenschaft) an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel tätig. Von 1991 bis 1994 ließ sich Herbert Haag davon beurlauben, um als Gründungsdirektor das Deutsche Olympische Institut (DOI) in Berlin am Wannsee aufzubauen, das auf eine Initiative des (damaligen) Nationalen Olympischen Komitees und dessen Präsidenten Willi Daume zurückging und als Vorläufereinrichtung der heutigen Deutschen Olympischen Akademie (DOA) in Frankfurt firmiert.
Herbert Haag schloss 1959 sein Studium als Diplom-Sportlehrer an der Deutschen Sporthochschule Köln ab und begann ein zweites Studium an der Universität Tübingen, wo er das I. Staatsexamen in den Fächern Geschichte, Politik und Erziehungswissenschaften ablegte. Im Rahmen eines Auslandsaufenthaltes an der University of Washington in Seattle (USA) erlangte er den Titel Master of Science (M.S.) in Physical Education. Danach legte er das II. Staatsexamen für das Lehramt Gymnasium ab und wurde Assistent und Akademischer Rat an der Universität Tübingen, wo er bei Prof. Ommo Grupe zum Dr. phil. promovierte. Ein Jahr danach erhielt er bereits einen Ruf als Professor für Sportpädagogik an die Universität Gießen. Seine Arbeitsschwerpunkte neben der Sportpädagogik waren u.a. die Sportphilosophie, die Sportgeschichte sowie die Forschungsmethodologie der Sportwissenschaft.
Herbert Haag hat ein imposantes Opus an Publikationen mit über 20 Büchern vorgelegt, die er entweder selbst verfasst hat oder an denen er als Herausgeber beteiligt war. Exemplarisch sei an die „Einführung in das Studium der Sportwissenschaft“ (Schorndorf 1991) und an das „Handbuch Sportpädagogik (Schorndorf 2001, herausgegeben zusammen mit Albrecht Hummel) erinnert. Herbert Haag verdanken wir aber auch die Herausgabe mehrerer Buchreihen Verlag Hofmann (u.a. die Schriftenreihe „Praxisideen“ und die „Schriftenreihe für Bewegung, Spiel und Sport“); darüber hinaus war Haag u.a. mehrere Jahrzehnte Leiter des Redaktionsausschusses für die Reihe „Beiträge zur Lehre und Forschung im Sport“ und hat so in vielfältiger Hinsicht die Konzeption und Etablierung der Buchproduktion zu aktuellen sportwissenschaftlichen Themen wesentlich mitbestimmt und gefördert.
Das akademische Wirken von Herbert Haag war stets bestimmt vom Theorie-Praxis-Bezug sowohl im Bereich der Lehre mit Studierenden als auch im Transfer von Forschungsergebnissen. Herbert Haag gehörte zu jenen Kollegen, die sich während ihrer Berufslaufbahn auf verschiedenen Feldern für eine internationale Ausrichtung der Sportwissenschaft engagiert haben – Herbert Haag hatte diese Tätigkeiten nach seiner Emeritierung sogar noch verstärkt u.a. mit Projekten der sportwissenschaftlichen Entwicklungsarbeit u.a. in Südamerika und Afrika. So wurde an der Technischen Universität Tshwane in Pretoria (Südafrika), wo er als Honorarprofessor tätig war, im Jahre 2008 „The Herbert Haag Sport Information Centre“ nach ihm benannt. Ferner hatte er unterschiedliche Funktionen im Weltrat für Sportwissenschaft und Leibes-/Körpererziehung (ICSSPE) inne: „Herbert Haag hat vor allem mit seinem unverwechselbaren Engagement als Netzwerker zum internationalen Ausbau der Sportwissenschaft beigetragen, wovon die nachfolgenden Generationen profitieren können. Dafür möchte ich ihm an dieser Stelle ausdrücklich Dank sagen“, so würdigte die damalige Vizepräsidentin für Olympische Erziehung und Bildung im Deutschen Olympischen Sportbund und Ehrenpräsidentin des Weltrates ICSSPE, Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper (Berlin), die internationalen Verdienste des Verstorbenen bereits anlässlich seines 80. Geburtstages.
Herbert Haag war von 1972 bis 1976 Vorsitzender des Bundesverbandes Deutsche Leibeserzieher (BVDL) und sorgte bereits kurz nach seinem Amtsantritt für die (moderne) Namensumwandlung in den heutigen Deutschen Sportlehrerverband (DSLV); viele Jahre später entwickelte er ein Konzept für eine personelle Neustrukturierung des Verbandes. Nach der Wende gehörte Haag beim Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst der Gründungskommission für die neue Sportwissenschaftliche Fakultät an der Universität Leipzig an (zu DDR-Zeiten: Deutsche Hochschule für Körperkultur). Anlässlich seines 65. Geburtstages wurde ihm dort die Ehrendoktorwürde (Dr. h.c.) verliehen, der Kontakt nach Leipzig ist nie abgerissen.
Seine Kieler Assistenten und Mitarbeiter (hier: namentlich Michael Kolb, Martin Lames und Bernd Strauß) würdigten Herbert Haag anlässlich seiner Emeritierung mit einer Schrift „sport-goes-media.de. Zur Medialisierung des Sports“ (Schorndorf 2002) und erneut zu seinem 70. Geburtstag mit einem weiteren Band unter dem Titel „Die Vielfalt der Sportwissenschaft“ (Schorndorf 2007), worin jeweils Kollegen und akademischen Wegbegleiter von Herbert Haag mit Beiträgen vertreten sind. Herbert Haag war auch mit weit über 80 Jahren arbeitsam und sportaktiv – sei es beim Schwimmen und Skifahren oder als Handballfan auf der Tribüne des THW Kiel. In seiner Heimat im Allgäu hatte er die Skischule des SV Falken Wangen gegründet. Herbert Haag ist am 9. März 2025 an seinem Wohnort in Wangen friedlich eingeschlafen.
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann