Das 11. Deutsch-Japanische Symposium der Sportwissenschaft fand vom 1. bis 3. März 2023 unter dem Leitthema “Rethinking sustainability issues and values in sports“ an der Nippon Sports Science University (NSSU) in der japanischen Hauptstadt Tokio statt. Die regelmäßig stattfindenden Symposien werden gemeinsam von der Japanese Society of Physical Education Health and Sport Sciences (JSPEHSS) und der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) ausgerichtet, deren Zusammenarbeit seit 2012 durch ein Kooperationsabkommen institutionalisiert wurde. Der Einladung von Prof. Dr. Yoshinori Okade der NSSU zum diesjährigen Deutsch-Japanischen Symposium, welches ursprünglich 2020 stattfinden sollte und aufgrund der Covid-19 Pandemie verschoben werden musste, folgten insgesamt 35 Sportwissenschaftler:innen aus Japan und Deutschland.
Neben drei Hauptvorträgen bestand das Programm aus 16 Einzelbeiträgen von japanischen und deutschen Sportwissenschaftler:innen. Den ersten Hauptvortrag übernahm Prof. Dr. Dr. h.c. Roland Naul (Universität Münster), der sich auf die Covid-19 Pandemie und ihre Auswirkungen auf die körperliche Aktivität und Gesundheit von Kindern und Jugendlichen fokussierte. Prof. Naul fasste die aktuelle Forschungslage aus Europa und Japan strukturiert zusammen, analysierte und diskutierte diese und leitete Handlungsempfehlungen1 ab. Die zweite Keynote von Prof. Dr. Masamitsu Ito (NSSU) stellte ein innovatives Schulungsprogramm für Ausbildende im Bereich Coaching vor, welches seit 2014 an der NSSU etabliert ist und die Vermittlung eines lernerzentrierten Coachings in den Mittelpunkt rückt. An der erfolgreichen Weiterbildungsmaßnahme nahmen bislang 110 Coach-Ausbilder:innen aus 42 Ländern teil. Am dritten Veranstaltungstag legte Prof. Dr. Michiyoshi Ae (NSSU) in seinem Hauptvortrag eindrücklich dar, wie biomechanische Bewegungsanalyseverfahren einen Beitrag zur Technikverbesserung und -optimierung leisten können und inwiefern durch diese Erkenntnisse effektive Trainingsmethoden und Maßnahmen zur Verletzungsprävention abgeleitet werden können.
Dem Leitthema entsprechend wurden in den Einzelbeiträgen verschiedene sportwissenschaftliche Perspektiven auf aktuelle Themen, Nachhaltigkeitsziele und Werte des Sports in Deutschland und Japan gelegt, die in den Bereichen von u.a. Anti-Doping-Strategien, Auswirkungen der Covid-19 Pandemie, Bildung für nachhaltige Entwicklung, Coaching-Strategien, E-Sport, Geschlechtervielfalt, Identifikations- und Motivationsprozesse im Sport und Outdoor-Sport angesiedelt werden können. Aus Deutschland stellten folgende Personen ihre aktuellen Forschungsbefunde, Projekte und Überlegungen vor: Frederik Borkenhagen (Universität Heidelberg), Prof. Dr. Annette Hofmann (PH Ludwigsburg), Prof. Dr. Franziska Lautenbach (Humboldt-Universität zu Berlin), Dr. Martin Meyer (Universität Vechta), Dr. Aiko Möhwald (Universität Paderborn), Prof. Dr. Bernd Strauß (Universität Münster) und Prof. Dr. Maike Tietjens (Universität Münster).
Ein bedeutender Programmpunkt war zudem der Austausch in Form eines Diskussionsforums zwischen der dvs und der JSPEHSS über die weitere zukünftige Zusammenarbeit beider Organisationen. Insbesondere die lange und erfolgreiche Tradition des Deutsch-Japanischen Symposiums der Sportwissenschaft, welche bereits 1994 in Berlin unter der Einladung von Prof. Dr. Herbert Haag (Universität Kiel) ihren Anfang nahm, soll als zentrale gemeinsame Veranstaltung beider Vereinigungen fortbestehen. Allerdings wären in diesem Rahmen auch neue Formate wie ein thematisches Diskussionsforum denkbar, um den deutsch-japanischen Dialog und gemeinsame Forschungskooperationen gezielt zu fördern. Eine Verbreiterung und Verjüngung der personellen Basis auf beiden Seiten erscheint allerdings auch erforderlich und soll durch die Organisationen unterstützt werden. Darüber hinaus bieten sich verschiedenste Themen für Forschungskooperationen und ländervergleichende Studien an. Die Unterstützung des fachlichen Austausches durch interne sowie anderweitige Fördermittel (z.B. DAAD, DFG, ICSSPE) sollen daher von Seiten der dvs ausgelotet werden.
Insgesamt bestätigt auch die Erneuerung der offiziellen Kooperationsvereinbarung zwischen der dvs und JSPEHSS das große Interesse, die institutionalisierten Kontakte fortzuführen. Die Wichtigkeit eines regelmäßigen und nachhaltigen fachlichen Zusammentreffens unterstrich auch Prof. Naul, der als eines der Gründungsmitglieder des deutsch-japanischen Austausches für sein langjähriges Engagement in der Beziehungsarbeit zwischen der japanischen und deutschen Sportwissenschaft von Prof. Okade geehrt wurde.
Neben dem inhaltlichen und wissenschaftlichen Austausch wurden auch Einblicke in die japanische Kultur gewährt. Eine besondere Erfahrung war der gemeinsame Abend in einem landestypischen Restaurant: In einem Zimmer mit Tatami-Boden setzten sich die Gäste auf Bodenhöhe hin, wobei die Beine in einer Absenkung unter dem Tisch Platz fanden, und es wurde ein traditionell japanisches Gericht, Shabu-Shabu (Brühfondue für Fleisch und Gemüse), serviert. Des Weiteren gab eine Führung durch die beeindruckenden hochmodernen Räumlichkeiten des Setagaya Campus der NSSU einen interessanten Einblick in die Sportuniversität, welche beispielsweise auch über Hallen für japanische Sportarten wie Sumo und Kendo verfügt. Wie außerordentlich erfolgreich die NSSU als sportwissenschaftliche Universität in der Förderung des japanischen Leistungssports ist, zeigte alleine schon der endlos erscheinende Wandelgang mit Fotos der Olympia-Medaillengewinner:innen aus den letzten 70 Jahren, die an der NSSU studiert haben. Dies eröffnet Möglichkeiten eines wichtigen Austauschs über die Förderung im Spitzensport in Japan und Deutschland.
Abschließend bleibt dem Tagungsleiter Prof. Okade und seinem stets hilfsbereiten und engagierten Team für eine erfolgreiche Ausrichtung des 11. Deutsch-Japanischen Symposiums zu danken. Das Symposium zeigte erneut, wie vielfältig die Sportwissenschaft und ihre Forschung sind und wie fruchtbar ein internationaler und -disziplinärer Austausch für das voneinander Lernen und die Erweiterung eigener Perspektiven ist. Das nächste Deutsch-Japanische Symposium der Sportwissenschaft wird voraussichtlich in zwei Jahren an der PH Ludwigsburg (Prof. Annette Hofmann) ausgerichtet.
Aiko Möhwald (Uni Paderborn), Franziska Lautenbachb (HU Berlin), Frederik Borkenhagen (Uni Heidelberg), Maike Tietjens & Bernd Strauß (beide WWU Münster)
1 Vgl. Naul, R., O’Neill, S., Ries, F. & Chambers, F. (2022). The CEREPS consensus statement of physical education and school sport for recovery from the COVID-19 pandemic in Europe. Recommendations of action. Zugriff unter: https://www.cereps.eu/wp-content/uploads/2022/09/CEREPS-final-draft-consensus-statement-recommendations-for-actions.pdf