Zum Vermächtnis von Ommo Grupe an die Sportwissenschaft
Ein Nachruf von Prof. em. Dr. Dr. h.c. Herbert Haag
Vor kurzem ist Prof. Dr. Dr. h.c. O. Grupe (Tübingen) leider von uns gegangen. Der viel geachtete Nestor der deutschen Sportwissenschaft hat somit die „Weltbühne“ verlassen. Doch er lebt weiter in der Erinnerung vieler Menschen, d. h. von ehemaligen Studierenden, Kollegen/innen, Mitarbeiter/innen und zahlreichen Personen aus der Welt von Sport, Sporterziehung und Sportwissenschaft.
Als der im Entstehungs- und Konsoliedierungsprozess der Sportwissenschaft ab ca. 1950 führende Vertreter hinterlässt Ommo Grupe eine zentrale Botschaft an die deutsche und auch internationale Sportwissenschaft. Diese tut wiederum gut daran, diese Botschaft zur Kenntnis zu nehmen getreu dem Sprichwort aus China „wenn Du nicht weißt, wo Du herkommst, weißt Du auch nicht, wo Du hingehst“.
In vier Punkten wird versucht, diese Botschaft wenigstens im Umriss zu skizzieren.
(1) Verbindung von Theorie und Praxis
Ommo Grupe hat diese auch in seiner akademischen Laufbahn praktiziert durch Unterricht in der Sportpraxis und in der Sporttheorie. „Praxisgeleitete Theorie und theoriegeleitete Praxis“ war sein Credo. Somit hat er in der dringend erforderlichen Verringerung des „Grabens“ zwischen Theorie und Praxis wesentlichen Anteil.
(2) Anthropologisches Grundkonzept
Mit dem Ansatz von Ommo Grupe „Bewegung (Leib) sein und Bewegung (Leib) haben“ stellt es eine überzeugende Möglichkeit dar, schulischen und außerschulischen Sport zu begründen, so dass er entsprechende Berücksichtigung findet und nicht wie so häufig unter Wert vertreten wird. Dies hat auch Konsequenzen für die Gestaltung der Sportwissenschaft als bedeutende akademische Disziplin, da sie sich mit einer grundlegenden Verhaltensdimension des Menschen befasst, d.h. mit Bewegung, v.a. im spielerischen und sportlichen Kontext.
(3) Ganzheitliche Sicht der Sportwissenschaft
In einer Zeit der teils überzogenen Ausdifferenzierung und Spezialisierung auch im Wissenschaftsbereich ging es Ommo Grupe v.a. auch darum, die verschiedenen Teildisziplinen der Sportwissenschaft thematisch und interdisziplinär miteinander zu verbinden. Dabei sind der disziplinäre (Theoriefeld) sowie der interdisziplinäre (Thesenfeld) Ansatz beide wichtig. Sportwissenschaft ist hier in guter Gesellschaft im Kreise „junger“ akademischer Disziplinen (z.B. Gesundheits-, Freizeit- Umweltwissenschaft). Ommo Grupe hat für diese ganzheitliche Sichtweise der Sportwissenschaft wesentliche Beiträge geliefert.
(4) Sportwissenschaft in der Gesellschaft
Für eine stimmige Entwicklung der Sportwissenschaft galt es gleichsam „Bausteine“ zu schaffen, die dieser im öffentlichen Kontext ihre Aufgaben bewusst macht. Dazu zählt v. a. in den 1970er Jahren der Start der Zeitschrift „Sportwissenschaft“. Ferner war das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) maßgeblich geworden für die Gestaltung von Sport, Sporterziehung und Sportwissenschaft aus der Sicht der Bundesebene in Deutschland und international. Nachdem Ommo Grupe den ersten Lehrstuhl nach erfolgter Habilitation im Bereich Sportwissenschaft innehatte, folgten entsprechende Gründungen von Instituten für Sportwissenschaft (mit Lehrstühlen) (in den alten Bundesländern) mit seiner Hilfe. Schließlich hat Ommo Grupe durch seine wegweisende Arbeit im Rahmen der Selbstverwaltung des Sports (Deutscher Sportbund) die gesellschaftliche Verantwortung der Sportwissenschaft sehr konkret „Gelebt“.
Diese vier Punkte fassen die Leistung von Ommo Grupe sicher nicht erschöpfend zusammen. Sie zeigen aber die wichtige Handschrift des Nestors der deutschen Sportwissenschaft – auch mit internationaler Ausstrahlung – bei dem Entstehen der Sportwissenschaft.