dvs-Kommission Gerätturnen
Über die Kommission
Die Geschichte der dvs-Kommission Gerätturnen
Am 29.09.1999 konstituierte sich während des Hochschultages der dvs die Kommission im Senatssaal der Universität Heidelberg. Als stimmberechtigte Mitglieder der dvs wirkten daran mit: Ulrich Baumann, Univ. Potsdam; Marita Bruckmann, Univ. Münster; Rainer Fuhrmann, Uni Flensburg; Jürgen Funke-Wieneke, Univ. Hamburg; Jürgen Krug, Univ. Leipzig; Jürgen Leirich, Univ. Halle-Wittenberg; Helga Pollähne, Univ. Koblenz-Landau; Corrina Rebek, PH Karlsruhe; Hans-Georg Scherer, Univ. Marburg; Wolfgang Schlichthärle, FU Berlin. Hinzu kamen weitere zehn Kolleginnen und Kollegen als nicht stimmberechtigte Gäste, deren Namen im Protokoll der Sitzung leider nicht ausgewiesen sind. Berichterstatter für die „Gruppe der Initiatoren der Kommissionsgründung“ waren Marita Bruckmann und Jürgen Funke-Wieneke.
Die Kommission, so ihr Selbstverständnis seit Beginn an, bildet ein Forum für den Austausch von Forschungsergebnissen und die Förderung der wissenschaftlichen Arbeit und Lehre zum Thema Gerätturnen. Sie fördert den wissenschaftlichen Nachwuchs und wendet sich an alle interessierten Kolleginnen und Kollegen sowie einschlägig arbeitende Studierende der Sportwissenschaft.
Vom 25.09. bis 27.09.2000 fand dann in Melle unter dem Titel: „Gerätturnen – Eine Bewegungskultur in der Diskussion“ die erste Tagung der Kommission auf Einladung der Kollegin Marita Bruckmann (Münster) statt.
Drei Dinge, der Titel der Tagung, die Person der Gastgeberin und nicht zuletzt die Teilnehmerliste der konstituierenden Sitzung können, der geschilderten Zweckbestimmung noch voraus liegend, verständlich machen, warum die Kommission eingerichtet werden konnte und wohl auch musste. Tatsächlich hatte sich bereits seit 1980 mit zunehmender Resonanz und Publikationsdichte eine Diskussion um Sinn und Unsinn, Möglichkeit und Unmöglichkeit des Gerätturnens sowohl im Verein als auch in der Schule in den Fachpublikationen entwickelt. Diese Diskussion strahlte bereits belangvoll aus in die Studien- und Prüfungsordnungen der einschlägigen sportwissenschaftlichen Studiengänge.
Eine solche Diskussion gab es – bezogen auf Sportarten und Bewegungsfelder - in keinem anderen Bereich. Das lag vor allem daran, dass die internationale Entwicklung des Gerätturnens zum Kunstturnen eine so exklusive Bewegungskultur hervorgebracht hatte, dass sie sich von den Bewegungsmöglichkeiten der meisten Menschen derart entfernt hatte, dass ihre Vorbildfunktion für das Vermitteln dieses Sports in der Breite der Vereine, und vor allem der Schulen, in Frage stand. Es handelt sich hierbei um eine Erscheinung, die z.B. den Fußball kaum betraf und trotz immer noch zunehmender Leistungssteigerung auch weiterhin nicht betrifft. Denn zwischen der Art, wie Spitzen- und wie Breitensportler dieses Spiel betreiben besteht zwar ein deutlicher Qualitätsunterschied, aber zwischen beidem bleibt eine deutlichere beziehungs- und identifikationsstiftende Gestaltähnlichkeit erhalten.
Die Reaktionen auf diese Lage waren unterschiedlich und lagen im Widerstreit miteinander. Abgesehen von denen, die das immer schon ungeliebte Turnen als Schulfach endlich abschaffen wollten*, bildeten die „Kanoniker“ und die „Alternativen“ jene ernsthaften Argumente und prüfbaren praktischen Angebote heraus, die eine Weiterentwicklung ermöglichen und die Bedeutung des Turnens auch in der Breite der Bewegungskultur und in der Schule unterstützen sollten. Marita Bruckmann hatte sich vor allem von der Seite des Deutschen Turnerbundes her in dieser Entwicklung engagiert und mit Jürgen Dieckert (Univ. Oldenburg) und Klaus Herrmann (Landesturnschule Melle) gemeinsam den programmatischen Vorschlag für ein „Freies Turnen“ als „dritten Weg“ neben dem „Kunstturnen“ und dem davon abgeleiteten, mehr breitensportlich angelegten sogenannten „Formgebundenen Turnen“ formuliert. Es war Teil dieses Engagements, auch in den Hochschulen mit denen, die dort Turnen lehrten und zu dem Gebiet Forschungen vor allem didaktischer Art unternahmen, diesen dritten Weg zu diskutieren und Klärungen zum Curriculum voranzutreiben.
Hinzu kam, dass auch die Vertreter des Turnens in den Universitäten der neuen Bundesländer in Tagungen im Vorfeld der Kommissionsgründung das Bedürfnis äußerten, und hier sei das erste Mitglied des Kommissionsvorstandes, Ullrich Baumann besonders erwähnt, ihre noch besonders perspektivierten Beiträge zur Erhaltung und Entwicklung des Turnens in die Fachdiskussion einzubringen. So kann man also die Einrichtung der Kommission Gerätturnen aus einer Gemengelage erklären, in der sich die wissenschaftliche Diskussion um eine sich differenzierende Bewegungskultur und die Fragen ihrer Entwicklung und ihrer didaktischen Repräsentation mit der Initiative des Fachverbandes und der inzwischen vorangeschrittenen Erweiterung der dvs als Personenvereinigung der deutschsprachigen Sportwissenschaft verbanden.
Die bis heute fortgesetzte Kommissionsarbeit bildet diese Gründungsinitiative dann auch recht gut ab und erfreut sich in den letzten Jahren einer verstärkten internationalen Aufmerksamkeit, die sowohl auf den Tagungen der Kommission Gerätturnen als auch in deren Publikationen zum Ausdruck kommt.
*Im Jahr 2001 stand z.B. in der Universität Lüneburg das Fach Turnen in der Lehrerbildung für längere Zeit aufgrund institutsinterner Entscheidungen zur Disposition.
(Text: Jürgen Funke-Wieneke, Mai 2011)